OGH zur Vermögensaufteilung nach der Scheidung: Schuldenabzug beim Verkehrswert – was gilt?
- Rechtsanwaltskanzlei Mag. Jürgen Pföstl

- 14. Nov. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Entscheidungen: OGH 1 Ob 84/24w, 1 Ob 9/24s, 1 Ob 113/23h (Rechtssatz: RS0132057)

1. Hintergrund: Vermögensaufteilung nach der Scheidung
Nach der Auflösung einer Ehe stellt sich häufig die Frage, wie gemeinsames Vermögen und bestehende Schulden zwischen den Ehepartnern aufzuteilen sind. Besonders dann, wenn Immobilien oder andere wertvolle Vermögensgegenstände im Spiel sind, ist die Bewertung und Berechnung der Ausgleichszahlungen komplex.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in mehreren aktuellen Entscheidungen – darunter 1 Ob 84/24w vom 24. Juli 2024 – klargestellt, wie der Verkehrswert einer Sache und die damit verbundenen Schulden in die Aufteilung einzubeziehen sind. Der bezughabenden Rechtssatz lautet wie folgt:
"Vom Verkehrswert einer Sache zur Zeit der Entscheidung sind in der Regel die konnexen Schulden im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzuziehen. Das Ergebnis dieser Differenz ist entsprechend dem Aufteilungsschlüssel zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Der sich daraus errechnenden Ausgleichszahlung ist jener Betrag hinzuzurechnen, mit dem der Ehepartner, der die Sache nicht erhält, nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Rückzahlungen geleistet hat. Die Reduktion des Kreditsaldos durch den Ehegatten, dem die Sache verbleibt oder der sie erhält, vermindert dagegen die Ausgleichszahlung nicht, weil ihm dieser Wert zukommt."
2. Kernaussage der OGH-Entscheidung
Der OGH hält fest:
Vom Verkehrswert einer Sache zur Zeit der Entscheidung sind in der Regel die konnexen Schulden im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (nicht im Zeitpunkt der Ehescheidung) abzuziehen. Das Ergebnis dieser Differenz ist nach dem Aufteilungsschlüssel zwischen den Ehegatten zu teilen.
Wichtig:
Der Ehepartner, der die Sache nicht erhält, aber nach der Trennung noch Kreditrückzahlungen leistet, darf diese Zahlungen bei der Ausgleichszahlung berücksichtigen.
Umgekehrt mindert die Kreditrückzahlung desjenigen, der die Sache behält, die Ausgleichszahlung nicht, da ihm dieser Wertvorteil selbst zugutekommt.
3. Was bedeutet das in der Praxis?
In der Praxis heißt das: Wenn eine Immobilie – zumeist aufgrund eines eingeholten Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Immobilienbewertung – z. B. EUR 750.000,00 wert ist und zum Zeitpunkt der Trennung noch EUR 200.000,00 Kredit offen waren, wird zunächst dieser Betrag abgezogen. Der relevante Vermögenswert beträgt somit EUR 550.000,00. Dieser wird dann – je nach Aufteilungsschlüssel (oft 1:1) – zwischen den Ehegatten aufgeteilt. Hat einer der Ehepartner nach der Trennung weiterhin Kreditraten gezahlt, ohne die Immobilie zu erhalten, erhöht sich seine Ausgleichszahlung entsprechend der von ihm eingezahlten Kreditraten. Demgegenüber vermindern die Kreditraten durch den Ehegatten, der die Immobilie erhält, die Ausgleichszahlung an den anderen Ehegatten nicht, weil ihm dieser Wert durch erhalt der Immobile zukommt.
Sofern voreheliche Mittel zur Finanzierung der Immobilie herangezogen wurden, sind diese auch bei der Berechnung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.
4. Bedeutung für Ehepaare in Salzburg und ganz Österreich
Diese OGH-Entscheidung schafft mehr Klarheit bei der Vermögensaufteilung nach einer Scheidung. Besonders bei Immobilien – einem häufigen Streitpunkt – gibt sie eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage.
Für Ehepaare bedeutet das: Wer sich in einem Aufteilungsverfahren befindet, sollte genau prüfen lassen, welcher Zeitpunkt und welche Schuldenstände maßgeblich sind. Eine rechtliche Beratung ist dabei unerlässlich, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
5. Fazit: Fairness durch klare Berechnungsgrundlage
Der OGH stellt mit dieser Entscheidung sicher, dass der tatsächliche Vermögenswert – also das, was nach Abzug der gemeinsamen Schulden verbleibt – gerecht aufgeteilt wird. Gleichzeitig werden nachträgliche Rückzahlungen durch den nicht begünstigten Ehepartner fair berücksichtigt.
Die Vermögensaufteilung nach einer Scheidung ist rechtlich und rechnerisch anspruchsvoll. Wenn Sie zu diesem praxisrelevanten Thema nähere Informationen wünschen oder rechtliche Unterstützung benötigen, steht Ihnen Rechtsanwalt Mag. Pföstl als Rechtsanwalt für Ehescheidung im Rahmen eines kostenlosen Erstgesprächs gerne zur Verfügung.



